Digital wäre großartig, würde es anständig geplant.
Einblick in unseren Optimierungsalltag.

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Digital Media-Optimierung

Wir dürften mit die ersten Berater gewesen sein, die Digital-Audits und -Optimierungen durchgeführt haben. Die Deutsche Bank war noch stolz und groß, „Passion to Perform“ deren Claim, und es gab Klickraten, wo einem heute die Tränen kommen. Dann kam das mit dem Victory-Zeichen, und man konnte froh sein, dass Social noch nicht geboren war.

Heute lieben, na klar, alle Digital. Alle reden drüber. Alle machen es. Es macht die Media reicher und bunter. Und, jetzt geht’s halt leider in den Konjunktiv, man könnte genauer zielen, treffen, messen und optimieren. Dauernd. Aber irgendwie klappt das nicht recht.

Bekommen wir Digital Media-Pläne samt Reportings mit der Bitte um Prüfung auf Optimierungspotenziale, dann sind wir meist gleich auf dem Weg zu Print. Kaum vier A3-Bögen ausgedruckt und zu­sam­men­geklebt, hat man zwar heute – save the world! – ein schlechtes Gewissen, aber schon den Überblick. Oder doch nicht?

Kein Plan ohne AI-Millionen
Der Kunde braucht Käuferreichweite. Netto-Reichweite wäre also das Maß der Dinge. Ja, in der AGOF steht nicht alles. Vieles aber halt schon. Fehl­an­zeige. Frequency Cap? Zumindest das.

CPX
Sie kennen sich aus? Nun, dann wissen sie: Thema verfehlt. Die Laune sinkt, und es kommt einem in den Sinn: Die Agentur vielleicht auch irgendwie CPX bezahlen? Erste Idee wäre HPT = Honorar per Treffer. Performance ist doch immer irgendwie besser. Sagen die.

Programmatic Advertising/Auktions­basierter Media-Einkauf
Vermeintlich günstigere Einkaufspreise oder doch höchstmögliche Inventar-Monetisierung für den Verkäufer? Wissen wird das auch dieser Kunde erst hinterher. Alternativvorschläge? Fehlanzeige.

Datenveredelungen
Man fühlt sich an die Moralphilosophie erinnert. Motto: edel, vornehm und rein. Die Namen klingen danach. Aber das war’s dann schon. Zwei Fragen bleiben: Was steckt da an Ware drin? Wer sind diese Nutzer? Das steht noch nicht einmal im noch kleiner Gedruckten.

Dynamic Creatives
Ein wunderbares Tool, aber wie setzen die das ein?

Sind wir zu kritisch? Zurück zur zehnseitigen Strategiepräsentation. Die lässt sich am Bildschirm gut lesen.

Verknüpfung mit anderen Medien (vulgo: „Orchestrierung“. Gestern: „Media-Mix“)
Obgleich diese Agentur alles für den Kunden macht: kein Wort! War nicht genau das das schlagende Argument, sich für eine Media-Agentur zu ent­schei­den? War nicht ver­sprochen worden, dass alles aus einem Guss käme?

Social Media
Wir lesen: Folgt! Auf einer Seite. Zurück zu E-Mail: Sie hätten noch „spannende Ideen“, man bitte um Verständnis. Naja, es sind noch drei Wochen zum Kampagnenstart.

SEO
Machen die Kollegen mit den Website-Verantwortlichen des Kunden. Das würde separat laufen.

Um dem Spiel ein Ende zu bereiten: Wir lieben Digital. Aber wir hassen lieblose und interessenverseuchte Pläne. Keine Frage: Es gibt groß­artige Agenturen und tolle Digitalpioniere. Aber was die Kunden im Durch­schnitt bekommen, nutzt nicht ansatz­weise das, was das Medium eigentlich könnte.

Unser Job in der Beratung? Besser machen und Agenturen dazu zwingen, das aus dem Medium herauszuholen, was es eigentlich könnte.

Selbst wenn wir uns von den – zumeist monetären – Eigeninteressen der Agen­turen entfernen, so bleibt ins­beson­dere bei reinen Digital­agen­turen oftmals ein Kern­problem be­stehen: „Digitale“, das sind zumeist junge Media­-Berater und -Planer. Sie leben die digitale Welt, kennen alle neuen Trends und entwickeln begeistert aus ihrer Sicht optimale Digital­strategien.

Das erste Problem hierbei: Viele scheinen unter einer Glocke zu leben. Sie lechzen nach Trendthemen allein in „ihrem“ Medium und entwickeln eine tiefe Liebe zu ihnen. Analytische Dis­tanz fehlt mitunter in drama­tischem Ausmaß. Statt Medien­nutz­ungs­zahlen auszu­werten und parat zu haben, gehen sie davon aus, dass alle so ticken, wie sie selbst. Der Rest? Der ist von gestern.

Kundenorientierung geht anders. Und, der Spruch mit dem Köder, dem Angler, dem Fisch? Den muss mancher/man­che erst noch deco­dieren. Lustig wird’s, wenn man junge Digitale zur Medien­nutzung von Zehnjährigen befragt. Wir fragen dann lieber direkt und nicht die Planer aus den Digital­agenturen. Denn: Sie sind von gestern. Die Welt ist doch eine Scheibe!

Das Zweite: Es fehlt allzu häufig an fundiertem Media-Know-how und dem Bewusstsein, dass die Grund­regeln der Media auch in der digi­talen Welt gleicher­maßen gelten. Und – wir erinnern uns – Digitale Media ist ein Bestand­teil des Ganzen. Wenn nun also media­plane­rische Grundsätze nicht ein­gehal­ten werden oder nicht „orchestriert“ sind, wie sollen „der Kanal“, „die Media“, „die Kommu­nikation“ in ihrer Gänze die Ziele erreichen?

  • Nein, Netto-Reichweiten können nicht einfach addiert werden. Gilt für alle Medien, gilt auch für Digital.
  • Social Media ist auch nicht für alle Zielgruppen gleichermaßen geeig­net. In vielen Zielgruppen sind TV, Radio und Print weiter von hoher Bedeutung und Leitmedium. Das tot gesagte Plakat? Schon die globalen Mobilitätsdaten sollten jedem klar machen: Relevanz steigend – wenn nicht gerade Corona tobt.
  • Ja, SEO und SEA sind hochrelevante Kanäle und Kontakte kurz vor dem Abschluss. Aber: Wo keine Marken­bekannt­heit ist, fehlt es an Suchen, fehlt es an Traffic, fehlt es an Con­versions. Im Ergebnis fehlt es an E-Commerce-Umsätzen.
  • CRM, der Einsatz eigener Kunden­daten auch für Media, ist für vielerlei Zielsetzungen der Königs­weg. Allerdings bedarf es hier Wissen verschiedener Disziplinen. Ein Use Case: Wahl der richtigen Kunden­analyse, das gewählte, hier RFM-Modell (Recency, Frequency, Monetary Ratio), richtig inter­pre­tieren, für mediale An­sprache sinnvolle Seg­mente bilden, diese mittels der richtigen Technik ein­setzen – und das mit dem richtigen Content versehen. Eine Viel­zahl an Möglich­keiten, vom Weg abzu­kommen.

Nicht selten werden insbesondere in der Digital Media „enorme Per­for­mance-Boosts“ und „Effizienz­stei­ge­rungen“ im bis zu hohen zweistelligen Prozent­bereich ver­sprochen. Unter­mauert werden derlei Aussagen seitens der Agenturen mit „State-of-the-Art“-Tools und „exklusiven, markt­führenden Eigenen­twicklungen“ auf Tech- und Media-Seite. Beides ist per se nicht zu ver­teufeln, denn Entwick­lungen am Markt bieten fort­laufend neue Chancen. Allerdings verfügen Agen­turen doch zumeist über deutlich mehr Kanal­expertise als die ihnen gegen­über­sitzenden Werbung­trei­benden. Wissen sie doch vorzüglich, immer wieder neue für sich profitable Erlös­quellen zu eröffnen.

Unser Job hier: erden und die Luft herauslassen. Rein kommt, was dem Kunden hilft. Nachweisbarkeit und Wirtschaftlichkeit vorausgesetzt.

Digital Media ist ein Paradebeispiel für das Principal-Agent-Dilemma. Nur ist der Principal hier zumeist die Agentur.

Zu häufig wurde dem – inzwischen schon fast „klassischen“ – Display Advertising, dem Banner, der Tod zugesprochen. Die nächste Evo­lu­tions­stufe, das digitale Bewegt­bild, vertreibt zunehmend Banner­wer­bung. Höhere Wahrnehmung, aus­reichend Raum für kreative Um­setz­ungen: Video ist der Liebling der Kreativen. Media­-Agenturen freuen sich nicht minder über den Einsatz, sind die Preise – vor allem aber die poten­ziellen Margen – schließlich ungleich höher. Doch ist der Mehr­preis wirklich immer gerecht­fertigt, und sollten Kunden in so hohem Maße auf digitales Bewegt­bild setzen?

Schnell wird hier Ungleiches mit­ei­nan­der verglichen. Preise lassen sich dabei noch sehr einfach neben­ei­nan­der­legen, nicht jedoch die Werbe­wirkung unterschied­licher Formate. Wie hoch ist also der Äquiva­lenz­wert eines Banners zu digitalem Video? Ver­glei­chen wir voll­flächige Dis­play­for­mate wie Hockey­sticks oder Interstitials mit Videos auf iden­tischen Um­feldern, so sind die TKPs für das Bewegt­bild meist min­des­tens doppelt so hoch – eben dieser Mehr­preis muss im ge­sun­den Verhältnis zur „Mehr-Qualität“ stehen. Die Qualität von Bewegt­bild wiederum wird jedoch durch eine Vielzahl an Faktoren bestimmt:

  • Positionierung als Instream vs. Outstream
  • Auto-Play vs. manuellem Start
  • Abspielen mit oder ohne Ton
  • In-Feed vs. In-Story

Und: Steht der Banner schon in Kon­ku­rrenz zu digitalem Bewegt­bild, so muss er ebenso in Kon­kurrenz stehen zu TV-Spots, DOoH (Digitales Out-of-Home) bis hin zum Kino­spot. Was aber meist fehlt, ist ein über­greifendes Be­wer­tungs­system. Wie jedoch ohne dieses die Frage nach der Recht­fertigung des Mehr­preises beant­worten?

Der Banner ist tot – es lebe der Banner.

Hier stoßen viele Agenturen an ihre Grenzen oder kümmern sich nicht darum, da diese Insights ihre Margen schmälern könnten. Wir ent­wickeln seit Jahren Äquivalenz­modelle. Die sind nie perfekt, aber besser als die unsäg­liche Verkaufe, die gerade im Bewegt­bild­bereich läuft.

Fluch und Segen zugleich in der Digital Media: Hier lassen sich so viele Me­triken technisch erfassen und messen, es steigt die An­forde­rung an Aus­wertung, Inter­pretation und analyse­basierte Ent­scheidung. Aber auch hier: 80:20-Regel statt Reporting­wüsten und Tool-Gefasel wäre ein An­fang. Es gibt in den Agen­turen zum Teil hervorr­agende Köpfe – hinter den Ober­kellnern, die einem die „edle Ware“ wort-, aber wenig kenntnis­reich ser­vieren. Ebenso wie in der Klassik: Wir sorgen dafür, dass diese klugen Köpfe in das Betreuungs­team des Kunden kommen und beim Optimieren helfen.

Sie merken: Irgendwie ist Digital ganz anders, aber damit sind noch lange nicht Grund­regeln und Logik außer Kraft gesetzt. Wir plädieren in voller Überzeugung, sich in den Kanal zu stürzen und ihn aus­zu­pro­bieren. Der beste Weg? Eine zahlen­basierte, nüchterne Trial-and-Error-Kultur. Was wir indes sehen, ist entweder – und das häufig – blinde Euphorie und digitale Eitelkeit oder Skepsis und Festhalten an Überkommenem.

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