Erwartet manch Media-Agentur, dass Kunden immer mehr Trading und zum Teil sprunghaft steigende Media-Einkaufspreise einfach so schlucken? Warum Kunden Media-Pitches durchführen und Moralfragen zum Bumerang werden.

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Über Agentur-Ausschreibungen in der Media, vulgo Media-Pitches, wurde schon immer hitzig diskutiert. Das Lieblingswort in der Debatte ist „Pitch-Kultur“. Darunter machen wir es im Marketing ja eher ungern. Ein herrlich ausschmückbarer Evergreen über das, was sich beim Pitchen ziemt oder eben so gar nicht. Die reflexhafte Lagerdenke macht die Diskussion zwischen Werbungtreibenden und Media-Agenturen ebenso vorhersehbar wie den Ausgang der ganzen Pitcherei: Stets gewinnt in der Media die beste Strategie aber natürlich nie der niedrigste Preis. Das behaupten, das weiß doch jeder, immer nur die schlechten Verlierer.

Der Stein des Anstoßes wechselt bei Media-Pitches so alle fünf Jahre. Dieses Mal ist die Sache grundsätzlicher: Werbetreibende müssen sich vermehrt fragen lassen, ob es eigentlich „fair“, „anständig“ etc. wäre, in (Post-)Krisenzeiten überhaupt zu pitchen? Und warum die Anzahl der Pitches aktuell so zunehmen?

Oha! Media & Moral.

Die Verlagerung des gesamten Pitchprozesses in den virtuellen Raum war für viele vor kurzem noch undenkbar. Heute wissen wir, dass es mit einem gutem Pitch Management geht. Ja, das Persönliche fehlt. Aber die Sache ist deutlich zeit- und umweltschonender als die reiseintensiven Almauftriebe vergangener Tage. So viel zum Praktischen.

Die ersten Media-Pitches, die in 2021 bekannt wurden, sind schnell erklärt: Einige der großen Werber wie Unilever oder Ferrero sind einfach wieder dran. Weitere, auch große, sind in den Startlöchern. Der übliche, häufig dreijährige, Ausschreibungsturnus ist schlicht rum. Viele Unternehmen regeln das in klaren Einkaufsrichtlinien und die Agenturen wissen das – vorher.

Ja, es gibt zu viele Pitches. Schlechte sind gar schädlich.

Die Moralfrage stellt sich bei diesen Media-Pitches also nicht. Warum Unilever regelmäßig den Aufwand betreibt – wenn Mindshare diese Pitches ohnehin immer gewinnt – schon eher? Nun, gehen Sie mal davon aus, dass mediakundige Kunden – und die sind leider in der Minderheit – wissen was sie tun. Und die Teilnahme an Ausschreibungen ist im Übrigen freiwillig.

Der magische Drei-Jahres-Zyklus liegt im Verhalten vieler Agenturen begründet, die ihren eigenen dreijährigen Kunden-Zyklus haben: Verwöhnen, Verwalten, Melken. Die Melkphase ist dann beliebig verlängerbar. Genau deswegen werden Mediaetats regelmäßig gepitcht. Die Ausschreibung dient der Überprüfung und marktgerechten Korrektur von Service und Preisen. Und stellt sicher, dass sich neue Entwicklungen in einem angepasstem, zukunftsorientiertem Media-Agentur-Vertrag widerspiegeln.

„Pitchen ist unfair!“ tönt’s in Social Media. Schon mal von Ausschreibungspflicht gehört?

Womit wir mitten im aktuellen Mediageschehen sind und den Gründen, warum sich im Markt etwas aufschaukelt: In den Mediaplänen vieler Werbetreibenden steigen die Trading-Anteile rasant. Und auf Kundenpreis-Ebene bekommen viele Kunden plötzlich deutlich weniger Medialeistung für ihr Geld. Über den Preisanstieg bei den Vermarktern ist das – entgegen der Geschichten manch einer Mediaagentur – nun wirklich nicht zu erklären.

Trading-Boom & Media-Inflation. Hausgemachte Pitch-Welle voraus.

Wer erst Corona und jetzt all die anderen Unwägbarkeiten dazu missbraucht, sich selbst zu Lasten seiner Kunden möglichst gut aus der Krise zu bringen und vor den Weiterungen zu schützen, muss sich als Agentur über mehr Media-Pitches also nicht wundern. Die Moralfrage ausgerechnet aus diesem Glashaus stößt schon jetzt auf.

 

Dieser Text ist die Originalfassung der Kolumne des Autors.
Zur Druckfassung der Absatzwirtschaft 6/2021

 

Sie halten Pitchen für die Ultima Ratio? Sie sind nicht allein – aber dennoch auf dem Holzweg. Viele Pitches beginnen schon von Grund auf falsch.

 

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